Vom „Bettschubser“ bis zum Roboterarm – FDM 3D Druck
FDM-Druckersysteme im Profi-3D Druckervergleich: Welche Bauform liefert wirklich das beste Ergebnis?
In der additiven Fertigung entscheidet nicht nur das Filament oder das Slicer-Profil über das Ergebnis – der mechanische Aufbau des 3D-Druckers ist der entscheidende Faktor.
Er beeinflusst Maßhaltigkeit, Geschwindigkeit, Wartungskosten und letztlich die Zuverlässigkeit deiner Bauteile.
In meinem Arbeitsalltag als Konstrukteur und 3D-Druck-Dienstleister sehe ich regelmäßig, dass viele Unternehmen und Maker ihre Druckerwahl vor allem am Preis oder an Marketingversprechen festmachen. Die Folge: Fehlinvestitionen, unnötige Nacharbeit und Bauteile, die nicht funktionieren wie geplant.
Damit dir das nicht passiert, zeige ich dir hier – kompakt, fundiert und praxisorientiert – die wichtigsten FDM-Druckersysteme, ihre Stärken und Schwächen sowie konkrete Empfehlungen aus der täglichen Anwendung.
🧱 1. Kartesische Systeme – präzise, zuverlässig und ideal für den Einstieg
Kartesische Drucker arbeiten entlang der drei linearen Achsen X, Y und Z. Dieser Aufbau ist seit Jahren bewährt und deshalb besonders stabil und berechenbar.
Typische Vertreter:
Prusa i3, Prusa Mini, Creality Ender-Reihe, Bambu A1 Mini
Was macht sie so zuverlässig?
- klare, lineare Bewegungen
- einfache Mechanik → wenig Fehlerquellen
- Ersatzteile preiswert
- gute Maßhaltigkeit ohne großen Aufwand
Einschränkungen:
- bewegtes Druckbett erzeugt Trägheit (Ghosting)
- bei großen Bauteilen langsamer
- Speed über 150–200 mm/s oft nicht sauber möglich
Ideal für:
Maker, Schulen, Werkstätten, Unternehmen mit moderatem Druckvolumen.
🌀 2. CoreXY – die High-Speed-Lösung für technische Bauteile
Typische Vertreter:
Bambu Lab P1P/X1C/A1, Voron 2.4, Creality K1, RatRig V-Core
CoreXY-Drucker setzen auf ein cleveres, gekreuztes Riemensystem. Dadurch bleibt die bewegte Masse extrem gering und der Druckkopf arbeitet sehr dynamisch – perfekt für hohe Geschwindigkeiten und technische Präzision.
Vorteile:
- extrem schnelle Druckabläufe
- hervorragende Wiederholgenauigkeit
- ruhiger Druckbetrieb, da das Bett nur in Z bewegt wird
Herausforderungen:
- Riemenspannung muss stimmen
- mechanisch anspruchsvoller Aufbau
- höherer Wartungs- und Justagebedarf bei DIY-Systemen
Ideal für:
Produktentwicklung, funktionale Prototypen, Kleinserien, technische Bauteile.
🕸️ 3. Delta-Systeme – elegant, schnell und perfekt für große Druckhöhen
Delta-Drucker bewegen sich über drei vertikale Säulen und gelenkige Arme.
Das ermöglicht extrem flüssige, schnelle Bewegungen.
Typische Vertreter:
Anycubic Kossel, FLSUN Super Racer
Vorteile:
- sehr hohe Druckgeschwindigkeiten
- perfekt für hohe Bauteile
- runde oder organische Formen sind ideal
Einschränkungen:
- komplexe Kalibrierung (Delta-Radius, Endstops etc.)
- Präzision in Z ist positionsabhängig
- nicht ideal für technische, passgenaue Bauteile
Ideal für:
Deko, Cosplay, große Bauteile, organische Formen.
⚙️ 4. CoreXZ / H-Bot – Spezialaufbauten für höchste Steifigkeit
Diese Systeme sind selten im Hobbybereich, aber dafür häufig in industriellen Anlagen zu finden.
Warum werden sie eingesetzt?
- sehr steife Mechanik
- exakte, wiederholbare Bewegungen
- perfekt für Produktions- oder Sondermaschinen
Nachteile:
- komplexe Riemenführung
- empfindlich gegenüber Fehljustierungen
Ideal für:
Automatisierung, Sondermaschinen, industrielle Präzisionsanwendungen.
🧩 5. Polar- und SCARA-Systeme – exotisch, flexibel und extrem skalierbar
Polar: Bewegung über Radius + Drehwinkel
SCARA: Roboterarm-Kinematik
Wenn klassische Achsen nicht ausreichen, kommen Polar- oder SCARA-Systeme zum Einsatz.
Vorteile:
- riesige Bauvolumen möglich
- hohe Flexibilität
- kompakte Bauweise
Nachteile:
- komplexe Steuerung
- geringere Präzision
- kaum Plug-and-Play
Ideal für:
Forschung, Großformatdruck, Materialexperimente, Robotik.
🔧 Direct Drive vs. Bowden – entscheidend für Materialfluss und Druckqualität

Direct Drive
Extruder sitzt direkt am Hotend.
→ beste Kontrolle über das Filament
→ ideal für TPU und funktionale Materialien
→ etwas schwerer → geringere Maximalgeschwindigkeit
Bowden
Filament wird über einen PTFE-Schlauch zum Hotend geschoben.
→ sehr leichtes Druckkopfgewicht → hohe Beschleunigung
→ etwas ungenauer bei Retracts
→ TPU schwierig
Praxisempfehlung für technische Bauteile:
→ Fast immer Direct Drive.
Welche Drucker-Kinematik eignet sich für wen?
| Anwendung | Empfehlung | Grund |
|---|---|---|
| Funktionale, technische Bauteile | CoreXY | hohe Wiederholgenauigkeit |
| Flexible Materialien | Direct Drive | exakter Materialfluss |
| Große, leichte Teile | Delta | hohe Bauhöhe + schnelles System |
| Budget-Lösungen | Kartesisch | zuverlässig & günstig |
| Serienproduktion | CoreXY | Speed + Präzision |
| Forschung & Experimente | SCARA / Polar | hoher Freiheitsgrad |
| Sondermaschinen | CoreXZ/H-Bot | extreme Steifigkeit |
Häufige Fehler bei der Druckerwahl
- Fokus auf „Maximalgeschwindigkeit“ ohne mechanischen Kontext
- falsches System für die Bauteilgeometrie
- Materialanforderungen werden unterschätzt
- fehlende Wartungsstrategie
- zu günstige Hardware bei hohen Anforderungen
- Bowden vs. Direct Drive falsch eingeschätzt
Viele Unternehmen und Maker tappen immer wieder in dieselben Fallen:
Gerade im professionellen Umfeld zahlt sich eine strategische Druckerwahl aus – und spart später enorm Zeit und Geld.